Four Nights in Chisinau

  • Wie ich hier gelandet bin ist mir immer noch schleierhaft. Alles an was ich mich erinnern kann ist die Fahrt mit dem Dienst-Maybach zur AOFA-Tagung nach Chisinau. "Chisinau... wo zum Geier liegt Chisinau?" Das war meine erste Frage an meine Sekretärin gewesen. "Irgendwo in Moldawien." kam die vage Antwort der vollbusigen Schwäzerin nach einigen Minuten hektischen googlens auf einem der mir verhassten Smartphones. "Und wo zum Geier liegt Moldawien?" fragte ich sofort, was der Dame einen Blick ins Gesicht trieb der mich dunkel an Schweine und Uhrwerke denken ließ. Naja gut dachte ich mir, wenigstens eine Möglichkeit mal die Langstreckentauglichkeit des Maybach zu testen. Am nächsten Morgen ging es los, knapp 1.700km nach Moldawien. Durch die Slowakei und Ungarn ging es ja noch, aber Moldawien selbst war die Hölle. Straßen wie im finstersten Rumänien. Staus ohne Ende, bestehend aus drei Autos und gefühlten 400 Eselskarren. Wo bist du hier nur hingeraten? Chisinau selbst überzeugte dann auch mit feinster sowjetischer Fertigbeton Architektur und einem ganzen Bataillon Bordsteinschwalben vor allen wichtigen Hotels. 'Dann hätten wir uns auch in Hamburg treffen können' dachte ich mir so.


    Wessen dämliche Idee das war muss man sich nicht lange Fragen. Um sich Stimmen für die nächste Hauptversammlung zu sichern hatte der Vizepräsident der AOFA das Treffen anberaumt um den scheidenden Präsidenten, in Personalunion Präsident irgendeines obskuren Teams zusammen gekaufter Altinternationaler, nochmal richtig zu hofieren. So ging es dann in den Konferenzen auch weniger um die Einführung des Hawk Eye, wie eine EM mit 65 Endrundenteilnehmenern gestemmt werden sollte oder die zusammenbrechende Jugendarbeit innerhalb Europas die dazu geführt hat, dass 90% der Nationalmannschaften mittlerweile einen Altersschnitt von 35 Plus aufwiesen, sondern eher darum die Wein-, Schaps- und Bierkeller der städtischen Etablissements trocken zu legen um, wie es der Vize ausdrückte, "den Moldawiern die Kosten für Drainagearbeiten zu ersparen und somit ein Zeichen zu setzen, dass die AOFA sehr wohl dafür sorgen kann, dass es sozial und wirtschaftlich aufwärts geht, wenn sie einreitet." Das hatte gesessen. Zumindest war ich der Meinung, dass er das hatte sagen wollen, auch wenn das nach 15 Flaschen Korn zwischen 5 Mann nicht mehr ganz so klar war.


    Was danach kam weiß ich nur aus Erzählungen. Konsum illegaler Drogen, Erregung öffentlichen Ärgernisses, Brandstiftung, Prostitution usw. Aufgewacht bin ich schließlich in einer Zelle. Der Geruch nach Urin hing schwer in der Luft. Der Präses begrüßte mich freundlich von der anderen Seite der Gitterstäbe und meinte, ich solle mir keine Sorgen machen, er würde das mit den örtlichen Behörden ausbügeln. Was er damit meinte, sollte ich bald erfahren.


    Kaum entlassen teilte mir der Vize mit, dass der moldawische Richter mit Freuden sämtliche Anklagen hatte ohne Bestechung fallen lassen, nachdem er gehört hatte, dass ich beschlossen hätte den örtlichen Kraut- und Rübenhaufen zu trainieren. Das war mir neu. Eben so neu war mir, dass ich meinen Vertrag bei Schwaz fristlos gekündigt hatte, meinen Maybach gegen einen Lada eingetauscht hatte und die moldawische Staatsbürgerschaft beantragt hatte. Dass ich überrascht war, wäre untertrieben... zu Tode erschreckt wäre wohl eher der Ausdruck, den ich wählen würde.


    Allerdings schien alles seine Richtigkeit zu habe. Die Papiere waren von mir unterschrieben, wenn auch die Spuren des Vorabends nicht zu übersehen waren. Ein Anruf bei meiner ehemaligen Sekretärin brachte die letzte Gewissheit. Ich hatte wirklich bei Unisport-Auto unterschrieben. Ein neuer Tiefpunkt in meiner Karriere. Hatte ich bei Schwaz vor Allem wegen der Kohle angeheuert, wie einstmals Brian Clough bei Brighton, hatte mich der verdammte Suff nach Moldawien verbannt. Ich fühlte mich wie Uli Borowka, wenn der im Suff bei Wacker Burghausen unterschrieben hätte. Ich beschloss, mich mehrfach zu erbrechen und mir dann meine Wohnung zeigen zu lassen.


    Das war die einzig positive Überraschung an diesem Tag. Der Präses der AOFA war so begeistert von meinem Entschluss, dass er mir das Penthouse eines ehemaligen Menschenhändler überlassen würde, samt Laufhaus. Dieses würde ich auch bitter nötig haben, waren meine Bezüge bei Auto doch eher die eines Hartz IV Empfängers. Und so sitze ich nun in meiner vergoldeten Badewanne und harre der Dinge die da kommen. Morgen soll ich die Mannschaft kennen lernen, ich hatte spontan beschlossen, dass meine fragile Konstitution eine Inspektion der Vereinsräume nicht zulassen würde. Mannschaft, das ist in etwa so wie wenn Jemand Unisport Auto als Fußballverein bezeichnen würde.


    Wo zum Geier bin ich hier nur gelande?

  • Wo ist mein schöner Kater?


    Nachdem ich mich drei Tage und Nächte mit meiner Alkoholvergiftung heraus reden konnte, war es nun an der Zeit dem Schicksal ins Auge zu blicken und den Verein zu besuchen. An Frühstück war nicht zu denken. Der Kühlschrank ähnelte einem schwarzen Loch, so leer, dass einen die Leere fast einsaugt. Woher sollte das Essen auch kommen? Ich spreche die Landessprache nicht einmal rudimentär und das Viertel in dem ich, in einem zwar luxeriösen Penthouse, untergebracht bin erscheint mir doch zu dubios um mich selbst auf die Suche zu machen. Also Anruf beim Präses, der hatte mir den Mist immerhin eingebrockt, er und der Suff, also sollte er wenigstens bei der Vereinsbegehung was zu Essen klar machen. Einen Anruf später hatte ich zwar immer noch Nix im Magen, aber immerhin die Aussage, dass ich eine Sekretärin hätte die gut genug Englisch spricht um mich zu verstehen und meine Wünsche anderen Menschen zu übersetzen.


    Was sollte ich tun? Ich gab also die Addresse ins Navi und lies den Lada an. Baujahr '62, das hört man. Wie war das mit den Säulen des Kommunismus? Russische Pünktlichkeit, polnische Genauigkeit und mongolische Mikroelektronik? Da hat wohl Jemand den rumänischen Autobau vergessen. Irgendwie erreichte ich mein Ziel. Vorbei an Bauruinen, sowjetischer Architektur (Beton auf Beton, geschmückt mit Beton) und den ersten Zeichen westlicher Investition und Ingenieurskunst hin zum Vereinsgelände samt Stadion.


    Da stand es vor mir. Zwei Betonplätze, eine Baracke die auf Grund ihrer betonmäßigen Architektur der Wolfsschanze alle Ehre gemacht hätte und ein Stadion, dass ich mir lieber nicht auf nüchternen Magen ansehen wollte. Die Sekretärin war schnell gefunden und teilte mir mit "I no speak English good!" Naja. Für einen Pott Kaffee und irgendwas undefinierbares was wohl mal ein belegtes Brötchen war aber mittlerweile in irgendetwas undefinierbarem tieffritiert worden war reichten ihre Sprachkenntnisse dann doch. Auch mein "Büro" war schnell gefunden. Ein Zimmer ohne Möbel, ohne Bodenbelag, ohne Tapete oder Farbe an der Wand, dafür aber mit mit Zeitung zugeklebten Fenstern aus der Ära Breshnew. "Is for cold and wet!" sagt meine Sekretärin mit einem breiten Grinsen als ob das die neueste Errungenschaft in Dämmmaterielien wäre. Wenn sie genug Englisch verstanden hätte, hätte ich ihr klar gemacht, dass sie die "Fenster" dann auch gleich hätte mit gegerbten Lederheuten bespannen können. Die meisten anderen Räume waren entweder genau so leer oder in ähnlich erbarmungswürdigen Zustand. Nicht ein Heizkörper im ganzen Gebäude war zu finden. Es gab mein Büro, das meiner Sekretärin, das des Zeugwartteams, das der Greenkeeper, das des nicht vorhandenen Scoutingteams und das des nicht vorhandenen Jugendwarts. Prima. Im Unteren Stock befanden sich neben der Vereinskneipe die durch ein offenes Feuer beheizt wurden die Umkleidekabinen. Holzbänke, zwei Duschen pro Mannschaft und ach Löcher im Boden für geschäftliche Transferaktivitäten. Prima.


    Das Stadion war in einem erbarmungswürdigen Zustand. Sitzplätze gab es, aber keine Beschalung oder sonstiges. Betonstufen halt, nummeriert, Sitzkissen würden von zu Hause mitgebracht. Was es gab war Beton, Rost, Dreck, Uringestank, Unkraut und auch ansonsten viele schöne Dinge um die Kinderlein während 90 Minuten zu beschäftigen. Was es nicht gab war eine Rasenheizung oder Flutlicht. Und auch auf meine Nachfragen in diese Richtung bekam ich keine Antwort. Hier erschöpfte sich der Wortschatz meiner bemühten Vorzimmerdame. "Do you have money?" fragte ich sie. "Money? no money, money food!" "No, not you personally, does the club have money? You know, to buy players, make the stadium nice, buy heat and windows?" "OH! Money! I not know!" "Who knows?" "President!" sagte sie und grinste breit. "Where is the president? Is he here? Who is he?" "No president not here, never here." Nachdem wir so noch eine Weile rumgewürfelt hatten kam sie endlich mit einem Namen raus. Ich fiel fast vom Hocker. Anscheinend war mein Präses nicht nur mein Präses sondern auch der Präses der halben moldawischen Profiligen. Mein Mädel wußte aber ganz genau an wen ich mich wenden musste um über das Geld zu erfahren. Anatol, den Schatzmeister.


    Anatol war ein schmieriger etwa 1,70m großer, korpulenter Mittfünfziger mit mindestens 20 Goldzähnen und mindestens genau so vielen Goldkettchen und Armkettchen. Er konnte widerrum halbwegs deutsch, war er es doch, dessen Sohn mein Appartment gehörte und der selbst fleißig beim Menschenhandel half. "Geld ist wegen Steuern, ja? Präsident gibt Anatol, Anatol macht Rechnungen, Geld bleibt bei Anatol bis Präsident anruft, ja?" Was soll man da anders sagen als ja. Nun war das Geld aber einmal da und ich würde den Teufel tun und es zurück geben. Für eine Provision von "Nur 15%, ist fair ja? Anatol macht gut Geschäft!" legte Anatol mir und dem Verein ein neues Konto an und lies das Geld offiziell in den Besitz von Unisport übergehen. Die ganzen 12,5 Mio!


    Das war bis zum heutigen Tag meine einzige Begegnung mit Anatol. Sei Montag ist er krank geschrieben.


    Das Geld hatte der Verein in jedem Fall dringend nötig. Das Stadion mußte dringend saniert werden. Moldawische Behördengänge dauern zu lange und Moldawier sprechen viel zu viel bei der Arbeit. Das Unisport Geld hat, muss sich ja nicht rumsprechen. Wozu hat man schließlich Familie in der Nähe von Polen? Schon am Dienstag rückte ein Trupp polnischer Handwerker an und legte los. Das Stadion wurde renoviert, eine Zentralheizung eingebaut, PVC Bodenbelag verlegt, die Fenster ausgetauscht, die Wände tapeziert usw. usf. In nur zwei Tagen waren sie mit Allem fertig, für gerade mal 1.500 Euro, wenn das mal kein Schnäppchen ist!


    Schwarzgeld ist doch was Schönes!