Stille Nacht, heilige Nacht

Die Dunkelheit hat das trübe Grau des Tages verdrängt. Schwarz ist der Himmel nun, kein Stern ist zu sehen, stattdessen prasselt der Regen unaufhörlich auf die Erde nieder. Auch Waalwijk hat die leichte Geschäftigkeit dieses Sonntages verlassen. Nun ist alles geschlossen und die Familien sind am heiligen Abend vereint.


Das Stadion des Eredivisionärs NCL Waalwijk liegt ruhig und verweist an der Graflaan. Die Straße wurde erst kürzlich nach dem Erfolgstrainer Marco Graf benannt. Dieser hatte seine Karriere beendet, kurz nachdem er den ersten Titel der Vereinsgeschichte im Pokalendspiel mit dem NCL errungen hatte.


Auch die Geschäftsstelle des niederländischen Profifussballvereins, die im Stadionbereich integriert ist, ist dunkel. Lediglich auf dem Eingang der Geschäftsstelle leuchten ein paar Lichter am Weihnachtsbaum und die Strahlen flackern durch den ständigen Regen. Das Licht der Laterne vor dem Eingangsbereich wird vom nassen Boden reflektiert.


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An der Eingangstür hängt ein Schild mit der Aufschrift: „Gesloten van 23 december tot 2 januari, prettige kerstdagen!


Im Eingangsbereich ist kein Licht zu sehen, aber in der Luft liegt ein leichter Fenchelgeruch. Ein leichtes Flackern ist unter einer der Bürotüren zu erkennen; auf dem Türschild steht „Dirk Frenzer, Manager“. Auf dem Sofa zur linken der Tür liegt ein Kopfkissen und eine Bettdecke, auf dem dazugehörigen Tisch stehen einige Medikamente. Auf der rechten Seite steht eine Kommode mit einigen Pokalen und einem Familienfoto. Eine dunkel gekleidete Gestalt sitzt auf einem großem Bürosessel hinter dem Schreibtisch gegenüber der Tür und schaut auf den Laptop. In diesem Moment durchzuckt ein Blitz den Himmel und im Fenster sind die Konturen der gegenüberliegenden Tribüne des Mendemakersstadions zu erkennen. Nun ist es wieder stockfinster im Fenster und ein leichtes Grummeln ist zu hören.


Auf dem Schreibtisch steht ein Telefon neben dem Laptop, außerdem eine Tasse mit dem Vereinslogo, es dampft der frisch aufgegossene Fencheltee. Daneben steht eine Flasche Molinari Sambuca, daran ein Zettel: „Hustensaft! Hilft auch bei Corona! Frohe Weihnachten, Sascha“. Links neben dem Laptop liegt ein Handy, gerade leuchtet eine Nachricht auf: “Gute Besserung!“ von Reiner.


Auf dem Bildschirm ist eine Suchauswahl dargestellt, Stürmer, niederländisch. Einige Fenster sind geöffnet: Ronaldus de Boer, Erik Siemerink…plötzlich öffnet sich ein neues Textfenster: „Erinnerung: Morgen, erster Weihnachtstag: 2.500 Tage AO!“. Die dunkle Gestalt hat die Augen zusammengekniffen und starrt auf den Bildschirm. Ist es ein Lächeln, das über das Gesicht huscht?


Plötzlich muss die Gestalt kräftig husten, dann klingelt unvermittelt das Festnetztelefon und die Gestalt greift rasant zum Hörer. „Frohe Weihnachten Papa“ hallt es leise und mehrstimmig durch die Stille.


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